EU-Kommission präsentierte endlich Vorschlag für neue EBR-Richtlinie
Viele Gewerkschaftsforderungen berücksichtigt, aber immer noch Verbesserungspotential
Am 24. Jänner wurde der lang erwartete Kommissionsvorschlag zur Revision der Eurobetriebsratsrichtlinie präsentiert. Europäische Betriebsräte (EBR) vertreten die Interessen der Arbeitnehmer:innen großer Unternehmen, die in mehr als einem EU-Mitgliedsland tätig sind. Die Richtlinie garantiert das Recht auf Einrichtung eines EBR in Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten und jeweils mindestens 150 Beschäftigten in zumindest zwei Mitgliedstaaten. Über den Europäischen Betriebsrat sollen die Beschäftigten Zugang zu Information von der Unternehmensleitung erhalten und zu wichtigen Unternehmensentscheidungen angehört werden. Im Jahr 2020 gab es 1182 Europäische Betriebsräte, wobei die Zahl in den vergangenen Jahren nur sehr langsam wuchs, wenn nicht sogar stagnierte.
Mehr Rechte für Eurobetriebsräte im Strukturwandel
Die letzte Überarbeitung der genau vor 30 Jahren angenommenen Richtlinie erfolgte 2009. Seither haben Gewerkschaftsverbände in Europa, wie IndustriAll Europe, eine weitere Stärkung der EBR-Rechte sowie Maßnahmen zur Einhaltung und Durchsetzung dieser Rechte gefordert. Eine bessere Einbindung der europäischen Betriebsräte in mögliche Umstrukturierungen ist gerade in der Energiewende ein Mehrwert, der von den Unternehmen gewürdigt werden sollte.
Bereits im Jahr 2017 meldete die europäische Gewerkschaftsbewegung schwere Kritik an, da die EBR-Richtlinie in der Praxis untauglich sei. Die überwiegende Mehrheit der über 1.000 aktiven EBR könne ihren Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachkommen, wie auch industriAll Europe aus mehr als 30-jähriger Erfahrung mit über 600 der heute existierenden EBR bestätigte. Allzu oft gingen Informationen zu spät ein und reichten nicht aus, um den Arbeitnehmervertreter:innen tatsächlich eine Beurteilung der vom Management vorgeschlagenen strategischen Pläne zu ermöglichen. Es gebe kaum Konsultationen und der Gang zum Gericht bleibe ein Hindernisparcours.
Die Kritik wurde vom Europäischen Parlament aufgegriffen, das im vergangenen Jahr die Forderungen der Gewerkschaften unterstützte und eine verbindliche EU-Initiative zur Verbesserung der EBR-Richtlinie forderte. Die Europäische Kommission hat jetzt mit einem Vorschlag reagiert, mit dem sich im weiteren Gesetzgebungsprozesses wiederum das Europäische Parlament und der Europäische Rat beschäftigen müssen.
Positive Elemente im Vorschlag
Die Kommission hat viele Vorschläge der Gewerkschaftsverbände aufgegriffen, teilweise sogar im exakten Wortlaut. Die Arbeitnehmervertreter:innen werden mit deutlich mehr Rechten auf Information und Mitbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten für EU-weit im Unternehmen gültige Regelungen (z.B. zum Schutz vor Diskriminierung) ausgestattet.
Verbesserung im Informations- und Konsultationsrecht
Aktuell werden EBR von der Unternehmensleitung oft erst über neue Entwicklungen informiert, wenn die Entscheidungen bereits getroffen wurden.
NEU: Im Kommissionsvorschlag wird klar festgehalten, dass EBR zu neuen transnationalen Entwicklungen im Unternehmen konsultiert werden müssen, BEVOR eine Entscheidung auf Unternehmensebene gefällt wird.
Verbesserung der Genderbalance
NEU: In jeder EBR-(Neu)Verhandlung muss auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet werden.
Aufhebung der Ausnahmen
EBR, die vor der ersten EBR-Richtlinie auf freiwilliger Basis gegründet wurden, mussten ihre Standards weder an die ursprüngliche Richtlinie noch an die Änderungen von 2009 anpassen.
NEU: diese Ausnahmeregelung wird aufgehoben, womit 5,4 Millionen Arbeitnehmer:innen das Recht erhalten, einen EBR auf Basis der Richtlinie einzurichten.
Transnationalität
NEU: Der Begriff der Transnationalität wird klar definiert.
Der transnationale Charakter einer Materie, der das Unternehmen zu Information und Konsultation des EBR verpflichtet, ist gegeben wenn:
- Arbeitnehmer:innen in mehr als einem EU-Mitgliedstaat betroffen sind
- Direkt nur ein Mitgliedstaat betroffen ist, jedoch die Folgen sich in mindestens einem weiteren Mitgliedstaat auswirken können.
Was noch zu verbessern bleibt
Trotz der deutlichen Verbesserungen sind einige wichtige Forderungen der Gewerkschaften sind aber noch ausständig, insbesondere das Fehlen klar definierter und einheitlicher Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Informations- und Konsultationsverpflichtungen.
- Sanktionen: Aktuell gibt es keine zufriedenstellenden Vorgaben zu Sanktionen. Das Sanktionsmaß unterscheidet sich stark je nach Land. Der Text betont, dass Mitgliedstaaten über die Form und Höhe der Sanktionen bestimmen sollen. Das ist unzufriedenstellend, besser ist der Vorschlag des Europäischen Parlaments, der Sanktionen in der Höhe von zwei Prozent des weltweiten Umsatzes vorsieht.
- die Notwendigkeit einer schnellen Reaktion auf Verstöße gegen die Rechte des EBR durch die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung (vorübergehende Aussetzung des Managementplans, bis der EBR ordnungsgemäß informiert und konsultiert wurde)
- die Notwendigkeit eines einfachen und schnellen Zugangs zur Justiz für EBR in jedem Mitgliedstaat
- die Notwendigkeit, dass Gewerkschaftsexperten nicht nur die EBR-Verhandlungen unterstützen (ein Recht, das bei der letzten Überarbeitung der Richtlinie im Jahr 2009 erreicht wurde), sondern auch die laufenden EBR unterstützen
- die Notwendigkeit von zwei physischen EBR-Sitzungen pro Jahr