Windenergie-Konferenz von IndustriALL Global Union in Wien
Die PRO-GE als Gastgeberin für rund 80 Gewerkschafter:innen aus der ganzen Welt
Am 27. und 28. Juni hielt der weltweite Dachverband der Industriegewerkschaften IndustriALL Global Union eine Konferenz zu den Herausforderungen des wachsenden Windkraftsektors für die Interessensvertretung der Arbeitnehmer:innen ab. Gastgeberin der Konferenz mit rund 80 Teilnehmer:innen vor Ort und weiteren 40 online war die österreichische Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) in der Wiener ÖGB-Zentrale. "Klimapolitik ist immer auch Sozialpolitik", stellte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in seiner Begrüßung klar. "Unsere Aufgabe ist, diesen Veränderungsprozess so zu gestalten, dass die Menschen in dieser Industrie auch in Zukunft gute Arbeitsplätze haben werden."
Die Arbeitnehmer:innen auf der ganzen Welt haben einen starken Partner, der sie nicht im Stich lässt: die Gewerkschaften.
PRO-GE Vorsitzender Reinhold Binder erinnerte an die zahlreichen neuen Herausforderungen, denen sich die Arbeitnehmer:innen aktuell stellen müssen. Unter den durch die derzeitigen Kriege schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, rufen der Klimawandel sowie die Digitalisierung und im speziellen die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt hervor. "Wir müssen gemeinsam die Zukunft gestalten, um sicherzustellen, dass die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei ein zentraler Fokus bleiben."
Der Windenergie-Sektor stelle Gewerkschaften vor spezielle Aufgaben, erläuterte IndustriALL-Generalsekretär Atle Høie die Grundlagen der Konferenz. "Wir sehen, dass große europäische Unternehmen diesen Markt dominieren, aber sie folgen dabei nicht mehr den etablierten Werten einer guten Sozialpartnerschaft", berichtete der IndustriALL-Generalsekretär. Wie zuvor schon der ÖGB-Präsident strich Høie die Bedeutung der Gewerkschaften für die Verteidigung der Demokratie: "Gewerkschaften sind die Grundlage für die Demokratie am Arbeitsplatz und sie sind eine Grundlage für eine demokratische Gesellschaft."
In einer Podiumsdiskussion bestätigte Simon Coop von der britischen Unite the Union Høies Einschätzungen und berichtete von Schwierigkeiten bis zu offener Feindseligkeit gegenüber gewerkschaftlicher Organisierung des Windkraft-Sektors sowohl von Unternehmen als auch der bisherigen konservativen britischen Regierung. Weiters warnte er vor Konstituierung von Zollfreizonen für die Branche. Diese würden keine neuen Arbeitsplätze bringen, sondern nur bestehende zu schlechteren Bedingungen ersetzen. Von einer ebenfalls harten, aber letztendlich erfolgreichen Auseinandersetzung berichtete Heiko Messerschmidt von der IG Metall. Nach 123 Tagen Streik haben die Beschäftigten der deutschen Tochterfirma des dänischen Windenergieanlagenherstellers Vestas die Errichtung eines Tarifvertrags erreicht. Erfahrungen mit gewerkschaftlicher Organisierung in einem feindlichen Umfeld trug dann auch David Wasiura von den United Steelworkers aus den USA bei. Der Zuspruch der Arbeiter:innen zu Gewerkschaften sei in weiten Bereichen der USA hoch, aber die Unternehmen seien bereit hunderttausende Dollar zu investieren um Gewerkschaften mit allen Mitteln aus ihren Standorten hinaus zu drängen. "Schlussendlich geht es ihnen immer um Macht und Kontrolle am Arbeitsplatz und über die Belegschaften", so Wasiura.
Warum der Windenergie-Sektor ein wichtiges Thema für Gewerkschaften sein wird, erläuterte Paul Dillon von der gewerkschaftsnahen Consultingfirma Syndex anhand seiner Stude über die Branche. Der Kapazitätszuwachs der Windenergie wird in den nächsten zehn Jahren höher ausfallen als die Kapazität der letzten 40 Jahre zusammen. Gleichzeitig ist der Windanlagenbau ein hochkonzentrierter Sektor, China herausgerechnet teilen sich fünf Unternehmen 91 Prozent des Marktes. Obwohl chinesische Hersteller die größten Produktions- und Wachstumsraten aufweisen, fokussierten sie sich bisher auf den eigenen Markt. Allerdings könnten zu erwartende Engpässe in der Lieferkette andere Märkte für chinesische Hersteller interessant machen und auch generell die Arbeitsbedingungen unter Druck setzen. Insgesamt bringe die Entwicklung für Gewerkschaften "große Herausforderungen, aber auch große Chancen", so Dillon.
Wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, wir wollen ein Stück Kuchen aussuchen können, das uns auch schmeckt.
Diana Junquera Curiel, Direktorin für den Energie-Sektor bei IndustriALL, präsentierte Strategien zur Organisierung und für einen gerechten Wandel. "Alle reden von 'Just Transition', verenden den Begriff aber nur als Schlagwort", sagte Junquera Curiel. "Was wir fordern ist 'Just Transition' als Konzept, bei dem die Arbeitnehmer:innen im Mittelpunkt stehen." Wesentliche Säulen dafür seien der Fokus auf die gesamte Lieferkette im Energiesektor, ein aktiver Zugang auf die Beschäftigten, die bisher möglicherweise noch gar nicht mit Gewerkschaften in Kontakt gekommen sind sowie branchenweite Kollektivverhandlungen als manifester Beleg für die Vorteile von Gewerkschaften. Die IndustriALL-Sektordirektorin forderte alle Beteiligten einzubeziehen, insbesondere auch Kommunen und Umweltschutz-NGO. Denn wenn Arbeitsplätze durch die Veränderungen wegfallen, müssen Alternativen bereits feststehen und nicht erst entwickelt werden.