Die große Null
Die österreichische Industrie steckt in der Krise. Laut Wirtschaftstreibenden sind daran auch die hohen Lohnabschlüsse schuld, und sie wünschen sich daher von den Gewerkschaften „Zurückhaltung“ bei den KV-Verhandlungen. Einige pochen gar auf Nulllohnrunden. PRO-GE Experte Bernhard Leubolt erklärt, welche Auswirkungen das auf Beschäftigte und Industriestandort hätte?
Erst vor kurzer Zeit ließ der steirische IV-Präsident Maier (COO Heinzel Group) aufhorchen. Er forderte in der „Kleinen Zeitung“ vom 25. Jänner 2025: „In Wahrheit bräuchten wir jetzt null Prozent Erhöhung, die Löhne sollten drei Jahre gar nicht steigen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.“
Verlust von Reallöhnen durch drei Jahre Lohnverzicht
Was bedeuten drei Jahre Verzicht auf Lohnsteigerungen für Arbeiterinnen und Arbeiter? Spielen wir ein Gedankenspiel: Die Löhne bleiben stehen, die Inflation läuft weiter. Aktuell prognostiziert das Wirtschaftsforschungsinstitut für 2025 eine Inflationsrate von 2,7 Prozent, für 2026 2,1 Prozent und für 2027 2,0 Prozent. Auch wenn diese eher optimistische Prognose eingehalten wird, würde ein Verzicht auf Lohnerhöhungen dazu führen, dass die Reallöhne um ca. 6,5 Prozent sinken.
Der Mindestlohn in der Metallindustrie beträgt aktuell brutto 2.518,43 Euro. Wenn in den Jahren 2025 bis 2027 die Inflation in den KV-Verhandlungen ausgeglichen würde, wären es monatlich 2.693,56 Euro. Drei Jahre ohne Lohnerhöhung würden also bedeuten, 2027 monatlich um ca. 170 Euro weniger zu verdienen. Zusammengerechnet würden Arbeiterinnen und Arbeiter bei Nulllohnrunden zwischen 2025 und 2027 in Summe mehr als 5.000 Euro weniger verdienen – in etwa das Urlaubs- und Weihnachtsgeld eines ganzen Jahres! Das Geld fehlt auch für immer bei Lohnerhöhungen in der Zukunft und am Pensionskonto.
Wirtschaftsstandort in Gefahr?
Wäre es trotzdem angebracht, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu verzichten, um den Standort zu retten? Nein, weil nachhaltiges Wirtschaften nur dann möglich ist, wenn ausreichend Kaufkraft vorhanden ist, um die produzierten Industriegüter auch verkaufen zu können. Dafür braucht es gerechte Löhne und weniger Verunsicherung der Bevölkerung. „Schlechtreden“ des Standorts und Lohndumping sind dagegen sicherlich nicht nachhaltig.
Dr. Bernhard Leubolt ist PRO-GE Fachexperte für Volkswirtschaft